SonntagsZeitung 17.MÄRZ 2002
Schnelle Passion: Robert Dubler mit seinem Argo und der Corvette,
die einst Steve McQueen im Film " Le Mans " pilotierte
Ein Zuckerbäcker gibt Gas
Zwischen Mohrenkopf und Zylinderkopf, Waltenschwil und Le Mans: Der Rennfahrer Robert Dubler
VON ROLAND FALK (TEXT) UND BALZ MURER (FOTOS)
Doch, doch, gewonnen hat er auch schon. In Frankreich etwa, 1995 auf dem Circuit Dijon. Pokale einheimsen ist aber nicht seine erste Priorität. Robert Dubler, 55, reicht in seinem Leben ein goldiges Gemüt. Und zudem, sagt der Rennfahrer, " bin ich ja kein Altmetallhändler ". Als Ehrgeizling sieht er sich noch weniger. Ein Spiel mit vielen Variablen ist die Raserei für ihn, eine " wahnsinnige Entspannung " zudem. " Bei jeder Startaufstellung sitze ich wie ein Pfund Dreck im Wagen und alles Lästige ist wie weggeknipst. " Selbst gelegentlicher Weltschmerz verfliege auf der Piste, sagt Dubler, der mit Riesenschnauz und strähniger Graumähne eine Reinkarnation des Künstlers Jean Tinguely sein könnte. Dass ein Typ wie er sich mitunter gebeutelt fühlt, verwundert, denn eigentich hat er, was andern als Dolce Vita gelten würde. Nichts darin ist verplant, Zwänge würde er nie zulassen, bestimmen lässt er sich nur von eigenen Ideen. Bitter kanns für den Freigeist nie kommen, denn von seinem Vater hat er im aargauischen Waltenschwil vor Jahren eine kleine Mohrenkopffabrik übernommen. Rund 45000 Schaumbeulen werden dort an Spitzentagen produziert, die meisten für eine Laufkundschaft, die nicht selten vom Chef persönlich bedient wird. Mit dem politisch nicht sonderlich korrekten Namen seiner Produkte hat er keine Mühe: " Diskriminierend wäre es nur, wenn er für etwas Verschissenes stehen würde."
Kollegen behaupten, er könne gar nicht richtig Auto fahren
Im Februar musste die Bude wie oft ohne Dubler auskommen. Zum zweiten Mal in seiner dreissigjährigen Karriere fräste er in der Klasse der American GT am 24-Stunden-Rennen von Daytona mit. Allerdings ohne Fortüne. Die neue Corvette, in die er sich für 10 000 Franken eingekauft hatte, war zum ersten Mal auf der Strecke und brauchte schon nach zweieinhalb Stunden ein neues Getriebe. Sieger wurde als erster Schweizer in der Geschichte des Rundkurses der Thurgauer Fredy Lienhard mit einer Weiterentwicklung des Ferrari 333. Dubler war dafür mit Sicherheit der Beliebteste im Fahrerlager, denn er hatte zwanzig Kilo Schokolade mitgebracht. Und als Trost bleibt ihm, dass er bei seiner Daytona Premiere ein Jahr zuvor der einzige Schweizer war, der ans Ziel kam. " Die Rolex Daytona, die der Erste erhält, kann ich verschmerzen ",sagt der Zeitlose, dem weder bei Tempo 280 noch von seinen Mohrenköpfen schlecht wird. " Weh hätte sie mir allerdings nicht getan."
Alle " abehacke " - das gehört nie zu Dublers Vorsätzen. " Mir genügts, wenn ich überlebe und die Karre wieder als ein Stück zurückgeben kann." Begonnen hat seine Leidenschaft mit einer 56er-Corvette, einem " hinterlistigen Cheib ", der keinen Fehler verzieh. In diesem Auto, sagt der Lustfahrer, " zeigt sich der Unterschied zwischen Männern und Buben." Eine Karambolage passierte ihm bisher erst einmal, damals, auf dem Hockenheimring, als er mit einer Beretta - " nüt Gschids " - seinen Vordermann abschoss, der gerade eine Pirouette drehte. Alles loslassen müsse man in so einer Situation, damit man unblessiert bleibe. Nichts einfacher als das für Dubler, der nichts im Leben ewig festhalten mag.
Angst, sagt der PS-Freak, habe um ihn nur immer seine Frau, " aber auch dann, wenn ich zu Fuss unterwegs bin ". Er kennt bloss Bedenken. Die haben vermutlich auch Gildekollegen, die behaupten, er könne gar nicht richtig Auto fahren. " Ich bin eben stets nach Gefühl unterwegs, ziehe mal am Steuer und warte ab, was die Masse unter meinem Hintern macht." Bisher liess ihn seine Intuition nicht im Stich. Möglicherweise lenke jeweils eine höhere Macht mit, sinniert Dubler, " obwohl ich bei Rennen nie ein Heiligenbildchen am Armaturenbrett habe ".
Vernünftig ist der Mann zwischen Kalorien und Karacho nur " in einem gewissen Rahmen ". Deshalb würde es ihm auch nie in den Sinn kommen, für einen Auftritt zu trainieren. Na schön, die Beine ein bisschen lockern beim Fernsehen, das mache er schon, " aber nichts, das mich zum Schwitzen bringt ". Einmal habe er sich kurz nach einem Gichtanfall hinters Steuer geklemmt. " Was ich an Reaktion nicht bringe, macht meine Erfahrung wett."
Im Hof der Mohrenkopffabrik verrottet der International-Stationswagen, in dem Dubler einst fahren lernte. Wieso er den Methusalem nicht entsorgt, weiss er nicht. " Es muss nicht alles Sinn haben im Leben." Was er hortet, füllt eine Werkstatt und die Tiefgarage seines selbst gebauten, von organischen Formen bestimmten Erdhauses, in dem sich auch Fred und Wilma Feuerstein wohl fühlen würden. Die 7,5-Liter-Corvette von 1968 steht da, mit der Steve McQueen im Film " Le Mans" herumblochte und die für den Rennfahrer so was wie Alterskapital auf Rädern ist. Ganze 20 000 Franken hat er für die Maschine 4 der Serie bezahlt - " die Nummer 3 wurde bei Christie`s vor Kurzem für eine halbe Million verkauft ".
Ein vernünftiges Auto muss für ihn Dach und Kotflügel haben
Eine Rarität ist auch der giftgelbe, omelettflache Argo des Schweizer Konstrukteurs Jo Marquart, der in den Siebzigerjahren für Lotus tüftelte. Knapp eine Daumenbreite Bodenfreiheit hat das 800 Kilo schwere und 675 PS stake Geschoss, in dem Piloten schon bewusstlos wurden: " Im Cockpit herrscht oft eine Affenhitze bis 70 Grad." Dieser Sonderling, schwärmt Dubler, stammt aus der Zeit, als ein Jo Siffert seine Boliden noch auf einem Autoanhänger transportierte. Den Aargauer hat diese Szene allerdings nie sonderlich interessiert: " Zu unattraktiv. Zu wenig Show für meinen Geschmack. Zudem hat ein vernünftiges Auto Dach und Kotflügel."
Mit dem Corvette wird Dubler im September vermutlich in Le Mans an den Start gehen, bei einem Oldtimer-Treffen, in dem er sich mit " alte Chnöche " messen möchte. Wieder eine Tortur von 24 Stunden, " aber vermutlich sind schon nach einer nur die wenigsten noch unterwegs ". Der einnehmend kauzige Naschzeughändler wird garantiert dazugehören. Immerhin fährt er seit zehn Jahren auch beim One Lap of America mit, einem anfänglich " gottverdammten Horrortrip " von 15 000 Meilen in vierzehn Tagen, den man mittlerweile distanz- wie zeitmässig um die Hälfte reduziert hat. Einen Dubler bremst man nicht so leicht aus. Der klebt auf der Bahn wie seine Mohrenköpfe an den Zähnen.